Nachtflug in Wittmund


(by Richie Becke)

 

 

Wenn es der Traum des Menschen ist, zu fliegen, dann ist das Fliegen bei Nacht der Albtraum. So könnte man denken.  Die moderne militärische Auseinandersetzung setzt darauf, sich dem Erkennen durch den Gegner zu entziehen. Vielfältige Möglichkeiten dienen diesem Zweck. Dazu gehört sicherlich auch der Einsatz bei Nacht und jedem Wetter. Unsichtbarkeit ist das Zauberwort. Kann das nicht erreicht werden so ist die erschwerte Sichtbarkeit schon ein Schritt in die richtige Richtung. Der Einsatz von Kampfflugzeugen in der Nacht ist eine der schwierigsten Disziplinen.

 

Unser Team hatte dankenswerter Weise die Möglichkeit bekommen, Nachtflugoperationen beim Taktischen LuftwaffenGeschwader 71 „Richthofen“ in Wittmund beizuwohnen.

 

 

 

 

Das Geschwader befindet sich seit Mitte 2016 im Aufwuchs. Zum Ende 2016 bereitete man sich auf einen Einsatz im Rahmen des Baltic Air Policing in Estland vor (Für das Geschwader begann der Dienst dort Anfang 2017 und wird bis Ende des Frühlings andauern). Die Luftwaffe leistet während des Air Policing die Luftraumüberwachung für den zu unterstützenden Staat mit anderen NATO-Mitglieder im Wechsel. Für die Piloten aus Wittmund bedeutet das, die QRA-Missionen (Quick Reaction Alert) nun von Estland aus zu fliegen – Tag und Nacht. Das Vorhandensein einer etwas anderen Brisanz an der Grenze des NATO-Gebietes ist vorstellbar.

 

Nun umfasst das Einsatzspektrum jedes Piloten auch den Nachtflug. Jeder Pilot muss eine bestimmte Anzahl von Nachtflügen im Jahr nachweisen, um die Qualifikation zu erhalten. Ein Nachteinsatz ist immer ein zweischneidiges Schwert. So wie ein möglicher Gegner seiner Sicht beraubt ist, so ist es auch der eigene Pilot. Vorbereitung in technischen und persönlichen Belangen ist existenziell.

 

Die Wittmunder Piloten, welche seit Mitte 2013 auf den Typhoon gewechselt waren bzw. das Waffensystem neu unter Einsatzbedingungen fliegen sollten, wurden auf eine spezielle Art des Nachtfluges vorbereitet. Nachtflug unter dem Einsatz von Night Vision Goggles (NVG) wurde trainiert. Wir waren das erste Team, das Zeuge einer solchen Einsatzvorbereitung sein durfte. Was zunächst im Doppelsitzer, dem Typhoon GT, unter Aufsicht eines Prüfpiloten beginnt, wurde dann in unserem Beisein im Typhoon GS weiterentwickelt. 

 

Uns wurden die entsprechenden Helme und Restlichtverstärkerbrillen gezeigt und erklärt. Jedem Piloten wird das NVG angepasst und auf ihn eingestellt. Es wird von den Technikern mit besonderer Sorgfalt behandelt, wie die gesamte persönliche Ausrüstung der Besatzungen. Erst im Cockpit befestigt der Pilot die NVG an der dafür vorgesehenen Halterung am Helm. In Gesprächen mit den Piloten und Technikern wurde uns bewusst, der Nachtflug unter der Verwendung von NVG ist speziell. Jeder der Beteiligten ist hochkonzentriert bei der Sache.

 

 

 

 

Als wichtigsten Unterschied zwischen dem Nachtflug ohne und mit NVG möchte ich auf die Einschränkung im räumlichen Sehen eingehen. Uns wurde beschrieben, es bedarf des Trainings, um u.a. Distanzen besser einschätzen zu können, was im Flug beim Abfangen eines anderen Luftfahrzeuges wichtig ist.Die zweidimensionale Sichtweise in mehreren Grüntönen lässt auch das Cockpit im wahrsten Sinne in einem anderen Licht erscheinen. Stellen sie sich eine Verkehrsampel vor, die plötzlich in statt Rot Grün zeigt, wo bisher Rot gewesen war. In der Kürze eines Momentes könnte das zu Verwirrung führen… Auch hier tut Gewöhnung, d.h. Training, Not.

  

Als Luftfahrtbegeisterten war die Frage nach dem „Genießen“ beim militärischen Fliegen immanent. Unsere Vorstellung ging in die Richtung, die Arbeitsbelastung für den Piloten ist hoch und ein Flug angefüllt mit Situationsmanagement und nebenbei mit dem Fliegen an sich. Die Protagonisten erklärten aber, es gebe Momente, kurze Momente, in denen der Frau oder dem Mann am Himmel die Schönheit des Momentes bewußt bzw. die Erfüllung des Traums der Menschheit klar wird. Das gelte für das Fliegen bei Nacht ebenso wie für den Einsatz bei Tageslicht.

 

Unser Dank gilt der Führung des „Richthofen-Geschwaders“ Oberstleutnant Spörner und dem Staffelkapitän Major Tentrup, sowie allen Piloten, Technikern und anderen Mitgliedern dieses besonderen Verbandes in der Luftwaffe.  Wir durften die besondere Gastfreundschaft des Geschwaders genießen. Uns wurde auf jede Frage bereitwillig geantwortet.  Wir freuen uns, das Geschwader auch weiterhin in seiner Geschichte und Entwicklung begleiten zu dürfen.